Institut für Politikwissenschaft

 

Forum 4: Eine neue gewerkschaftspolitische Geschlechterpolitik

 

Thomas Gesterkamp

Einführung : “Eine neue gewerkschaftliche Geschlechterpolitik”

 

Die Arbeitsgruppe zur gewerkschaftlichen Geschlechterpolitik war die kleinste beim Hattinger Forum 2003. Diese “Abstimmung mit den Füßen” drückt schon einen Teil des Problems aus: Geschlechterpolitischen Themen wird  im “Männerbund Gewerkschaft” kein zentraler Stellenwert eingeraümt - das gilt offenbar selbst für kritische Diskussionsangebote wie das Hattinger Forum. Mag sein, dass sich einige der anwesenden Gewerkschafterinnen bewusst für einen anderen Arbeitskreis entschieden, um “nicht schon wieder über Frauenpolitik” zu reden. Die Gewerkschaftsmänner fühlen sich beim “Organisationslernen im IT-Sektor” oder anderen “harten Themen” auf jeden Fall besser aufgehoben.

 

Die Chancen des “Gender”-Ansatzes, einen neuen Dialog zwischen den Geschlechtern anzustoßen und diesen für die Gewerkschaften nutzbar zu machen, werden bisher nur unzureichend genutzt. Geschlechterpolitik erscheint weiterhin als “exotischer Nebenschauplatz”, auf dem sich nunmehr neben den traditionellen Frauenpolitikerinnen auch einzelne interessierte Männer einfinden. Immerhin ist das Konzept “Gender Mainstreaming” mittlerweile nicht nur bei

ver.di, sondern auch in der IG Metall, bei Transnet, der GEW oder der

Polizeigewerkschaft eingeführt. Es wird innerhalb der Organisationen toleriert, aber noch nicht überall in die zentralen Diskussionsstränge integriert. Hier rächt sich, dass sich die Gewerkschaften lange Zeit als Lobbyvereinigung männlicher Facharbeiter verstanden und Themen wie “Frauen” oder gar “Familie” in marginalisierte Ecken verbannt haben.

 

In jüngster Zeit ist die Sensibilität für geschlechterpolitischen Fragen gewachsen. Das vielgeschmähte “Arbeitnehmerpatriachat” bewegt sich, in langsamem Tempo, aber doch schneller als viele andere Verbände oder Unternehmen. Ver.di hat das Prinzip “Mainstreaming” schon bei der Gründung der Großgewerkschaft in der Satzung verankert. Auf Bundesebene wurde ein gemischtgeschlechtliches “Gender-Tandem” (Ilona Schulz-Müller und Joachim Klett) gebildet, das die neue Sichtweise “top down” vermitteln soll. In vielen ver.di-Gliederungen ist die Debatte aber weiterhin, ebenso wie in der stärker von männlichen Mitgliedern dominierten IG Metall und auch im DGB-Dachverband, von der “Nische” der herkömmlichen Frauenpolitik geprägt.

 

Dabei sind die “Mainstream”-Themen der Gewerkschaftspolitik auf vielfältige Weise mit geschlechterpolitischen Fragestellungen verknüpft. Deutlich wird das etwa in der Tarifpolitik, wenn es um die Untersuchung der Entgeltsysteme unter “Gender”-Aspekten geht. Noch ausgeprägter zeigt sich der Zusammenhang im Umfeld der Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik. Hinter der gestiegenen “Erwerbsneigung” der Frauen, wie sie konservative Wissenschaftler bezeichnen, steckt ein selten offen benannter Geschlechterkonflikt. Die alte “Vollbeschäftigung” war stets eine Vollbeschäftigung der Männer, die nur funktionierte, weil die Gattinnen überwiegend zu Hause blieben. Jetzt, wo diese in wachsendem Umfang Erwerbsarbeit nachfragen, lässt sich das Angebot an bezahlten Jobs selbst bei hohen Wachstumsraten nicht beliebig vermehren. Platt formuliert, können Frauen nur dann mehr arbeiten, wenn Männer weniger arbeiten.

Diese Erkenntnis steht in krassem Gegensatz zur vorherrschenden

arbeitszeitpolitischen Diskussion, in der Politiker und Unternehmensvertreter Mehrarbeit und die Rückkehr zu 40 Wochenstunden und darüber einfordern.

Unter geschlechterpolitischem Blickwinkel ist dem entgegen zu halten: Kürzere Arbeitszeiten sind alles andere als ein verstaubtes Konzept. Sie sind nicht nur volkswirtschaftlich sinnvoll, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, sondern auch ein Weg, um geschlechterdemokratische Experimente in der Bereichsteilung zwischen Männern und Frauen zu erleichtern. In diesem Kontext ist es ein sinnvoller Ansatz von innovativer Gewerkschaftspolitik, wenn sich zum Beispiel ver.di Hessen mit dem in Hattingen vorgestellten Netz-Auftritt “Vater und Beruf” um Männer kümmert, die sich nicht mit der Rolle des Ernährers und Zahlvaters zufrieden geben wollen, sondern auf der Suche nach einer neuen Balance von Erwerbs- und Privatleben sind.